Rückreise über Japan und Russland 1940

Meine Heimreise 1940

Am 1.3.40 erhielt ich nach langem Warten endlich telegrafischen Weisung von meiner Firma. Um nach Deutschland zurückzukehren, entschloss ich mich mit dem nächsten japanischen Dampfer der "Santos Maru" abzureisen, die am 16.3. von Balboa abfahren sollte. Auf Wunsch einiger Freunde aus Bogotá habe ich die hauptsächlichen Daten dieser Heimreise schriftlich niedergelegt, und füge noch einige Hinweise bei für etwaige Heimkehrer, die auf dem selben Wege nachfolgen wollen.

Dauer der Reise:
Die Reise von Bogotá bis zur Einschiffung in Balboa nahm 8 Tage in Anspruch mit Aufenthalten in Cali, Buenaventura und Panama. Die Dampferfahrt bis Yokohama dauerte 34 Tage, wovon 10 Tage von Balboa bis Los Angeles und 2 Tage Aufenthalt im Hafen von Los Angeles. Die Vorbereitungen für die Weiterreise ab Tokio nahmen mindestens 8 Tage in Anspruch. Die Fahrt von Tokio bis Manchouli 4 Tage, Manchouli - Moskau 6 Tage, Moskau-Berlin 2 Tage, also insgesamt 62 Tage. Bei Benützung eines Schnelldampfers läßt sich die Reisedauer entsprechend abkürzen.
Kosten der Reise: Die gesamten Kosten meiner Heimreise haben sich auf etwa US.$ 800,-- oder rund RM 2.000,-- belaufen, bei Benützung der ersten Kajüte auf der Seereise und der 1. Klasse auf der Bahnfahrt von Tokio bis Gudogai (litauische Grenze), von dort aus 2. Klasse; Tischkarten auf der russischen Strecke 2. Güte. Bei Benützung der Touristen- Klasse, die auf den Schiffen der NYK (Nippon Youshen Kaisha) sehr gut sein soll, ermäßigt sich der Fahrpreis um etwa US.$ 160,-- resp. RM 400,-. Die Benützung der 3. Kabinenklasse auf den Schiffen der Santos-Klasse würde ich nicht empfehlen, da es dort sehr gemischt zugeht.

Visen:
Außer dem japanischen Transitvisum wird eine eidesstattliche Erklärung verlangt des Inhalts, daß der Reisende nicht dem stehenden Heer angehört oder zum Wehrdienst einberufen ist, und daß er auf alle Ansprüche gegenüber der japanischen Regierung oder der Schiffahrtsgesellschaft verzichtet, für den Fall daß der als Angehöriger einer kriegführenden Nation irgendwie an der Weiterreise verhindert wird. Diese Erklärung muß auf der Deutschen Gesandtschaft beglaubigt werden.
Diejenigen Reisenden, die den japanischen Dampfer erst in der Kanalzone erreichen können, benötigen außerdem das Visum für Panama. Außerdem empfiehlt es sich, das amerikanische Transitvisum einzuholen, um in Los Angeles oder San Francisco an Land gehen zu können. Letzteres Visum ist gratis. Die weiteren Transitvisen können erst in Tokio eingeholt werden, und zwar das Visum von Mandschukuo, USSR und Litauen (Grenzstation Gudogai). Reisende der 3. Klasse, die über Lettland und Litauen fahren (Grenzstation Bigossowo) erhalten das lettische und litauische Visum in Moskau. In Moskau muß der Reisende auch noch den Sichtvermerk für die Wiedereinreise nach Deutschland bei der deutschen Botschaft einholen.

Japan:
Pass- und Devisenkontrolle erfolgt an Bord des Dampfers. Für die eingeführten Devisen wird kein Beleg erteilt. An Japanischem Geld darf höchstens 200 Yen eingeführt werden. Das Gepäck wird im Zollamt revidiert, und müssen schon vorher getrennte Formulare ausgefüllt werden über alles, was der Reisende im Gepäck mitführt, was er an Büchern und Rauchwaren dabei hat usw. Die Bücher müssen abgestempelt werden, für Rauchwaren ist Zoll zu bezahlen, soweit sie über das erlaubte Höchstquantum hinausgehen, d.h. 50 Zigaretten oder 10 Zigarren oder 1/4 Pfund Rauchtabak. Man ist aber bei der Verzollung ziemlich großzügig. Auch Fotoapparate gehen durch, obwohl das fotografieren an Land großen Einschränkungen unterworfen ist. Diese Vorschrift wird besonders in den befestigten Zonen sehr streng gehandhabt. Als Mindestaufenthalt in Japan muß man eine Woche rechnen, welche Zeit zur Einholung der Visen und Besorgung der Fahrkarten und Schlafwagenplätze knapp ausreicht. Die Deutsche Botschaft in Tokio hat eine eigene Stelle zur Beratung von Durchreisenden eingerichtet und empfiehlt es sich dort sofort vorzusprechen, besonders wegen Auskunft in Geldangelegenheiten. Der offizielle Wechselkurs 1st Yen 4,20 je US$, der Schwarzkurs z.Zt. Yen 6,--, was natürlich eine große Ersparnis bedeutet. Dieser Kurs kann aber nur für Banknoten bezahlt werden nicht jedoch für TravellerCheques, und sollte man daher letztere in den Staaten restlos verkaufen, wobei es sich empfiehlt, für ca. 25 Dollar einzelne Dollarscheine zu nehmen, die überall leicht eingewechselt werden können.
Das Gepäck wird bei Ankunft an besten einer Expressgesellschaft zur Weiterbeförderung nach dem Hotel übergeben. Als Hotel sind zu empfehlen: das Band-Hotel in Yokohama und das Dai-Iti-Hotel in Tokio, beide mit Restaurationsbetrieb. Htvelpreis Yen 4,50 für ein kleines Zimmer mit Bad, Frühstück ca. Yen 1,-, Mittag- oder abendessen ca. Yen 2,--. Außerdem gibt es ganz deutsche Restaurants, Henschel in Yokohama und Lohmeyer In Tokio. In letzteren kostet ein completes Diner Zen 2,80, Fassbier Yen 0,30 per Glas. Außerden gibt es eine reichhaltige Karte mit Spezialitäten. zwischen Yokohama und Tokio verkehrt eine elektricche Schnellbahn, welche die Verbindung in ca. 1/2 Stunde herstellt. Taxis kosten Yen 0,40 minimal. Trinkgeld ist nicht üblich ausgenommen in deutschen Lokalen.
Die Deutsche Botschaft in Tokio übernimmt gerne die Einholung der Visen und Besorgung der Fahrkarten besonders bei weniger reisegewandten Passagieren. Wer es aber eilig hat, kann sich selbst darum kümmern und werden ihm in diesem Fall die einzelnen Adressen in japanischer Schrift übergeben zwecks besserer Verständigung mit den Taxichauffeuren, die keine Fremdsprachen können.
Die Fahrscheine und Bettkarten für die Strecke bis Manchouli besorgt das japanische Reisebüro, von dort ab bis Berlin das russische Reisebüro "INTOURIST". Eventuelle Aufenthalte an den Zwischenstationen müssen vor Einholung der Visen festgelegt werden, da die Transitvisen ziemlich knapp befristet werden und daher wenig Spielraum verbleibt.
Auf der Strecke Tokio bis litauische Grenze wird empfohlen 1. Klasse zu reisen. Diese bietet auf der russischen Strecke die Annehmlichkeit, daß man nur zu zweien in einem Abteill ist, und daß zwei nebeneinander 1iegende Abteile 1. Klasse einen gemeinschaftlichen Waschraum haben, während die Abteile 2. Klasse für 4 Passagiere eingerichtet sind ohne Waschmann, so daß die gemeinschaftlichen Toiletten zum Waschen und Rasieren benutzt werden müssen. Dagegen kann man ohne weiteres Verpflegungskarten 2. Klassee nehmen, da die Kost vollkommen ausreichend ist, wenn auch etwas eintönig. Bei den beiden oben genannten Reisebüros kann man in Yen bezahlen und kommt dabei billiger weg als in Dollars.

Tokio Manchouli
Es ergibt sich von selbst, daß man bei der Weiterreise die von den Reisebüros vorgeschiebenen Züge benützen muß. Die Anschlußzüge zum Transsibirien-Express verkehren zweimal wöchentlich und zwar Donnerstags und Sonntagnachmittags um 3 Uhr vom Hauptbahnhof Tokio ab, und fahren durch bis Shimonoseki, wo sie am nächsten Morgen gegen 9 Uhr ankommen. Von dort aus wird man mit einem kleinen Schnelldampfer, der direkten Anschluß hat in ca. 8 Stunden nach Fusan (Korea) übergesetzt, von wo aus die Weiterfahrt nach Mukden, Harbin und Manchouli angetreten wird. Die Züge haben Speisewagen und kostet ein Essen Yen 1,50, 1 Flaschebier Yen 0,60. Gegen Mittag des folgenden Tages wird die Grenze zwischen Korea und Mandschukuo passiert und müssen wieder Devisenformulare ausgefüllt werden. Zu bemerken ist, daß die Ausfuhr von 100 Yen Noten verboten ist, und müssen dieselben in der ersten mandschourischen Station Antung in Mandschukuo Geld umgewechselt werden und zwar pari 1 Yen = 1 Yuan, obwohl der Yuan an der schwarzen Börse in Harbin mit 13 Yuan = 1 US$ gehandelt wird, und im Ausland überhaupt nichts wert ist. Bei Aufenthalt in Mukden wird als gutes Speiserestaurant das OLYMPIA empholen, in Harbin das Hotel TANTO oder GRAND HOTEL. Bei längerem Aufenthalt in Harbin solle unbedingt das sogenannte Deutsche Haus aufgesucht werden, wo man deutschen Durchreisenden bereitwilligst an die Hand geht. Hier können auch notfalls noch vorteilhaft Einkäufe getätigt werden. Der Zug an die Grenze nach Manchouli (russisch Manchouria) verläßt Harbin um 10 Uhr 30 min. vormittags. Man hat bei Ankunft in Harbin den Reisepass in Passbüro des Stationsgebäudes abzugeben und muß sich rechtzeitig vor der Abreise darum kümmern. Bei Durchreisenden mit kurzen Aufenthalt d.h. solche, die mit den Frühzügen um 6h 30 oder 8 h ankommen und am gleichen Tags weiterreisen, genügt das Vorzeigen des Passes an der Bahnhofsperre.
20 Matchouli ist wiederum Pass-, Gepäck- und Devisencontrolle, d.h. der Pass wird samt der Fahrkarte in Zug schon abgenommen und dem Passagier erst vor der Weiterreise wieder ausgehändigt. Der Aufenthalt in Manchouli hängt davon ab, wann der aus Moskau kommende Zug ankommt, und können dabei Verspätungen von einem halben bis zu einem ganzen Tag entstehen. Das nahe beim Bahnhof liegende Hotel Tamaya ist billig (Yuan 2,50 pro Bett, wobei aber 2 Passagiere einen Raum gemeinsam haben) und hat gutes Essen. Das Hotel Nikitin liegt im Zentrum und hat Einzelzimmer zu Yuan 4,50 pro Tag. Die Banknoten von Mandschakuo werden im Ausland nicht angenommen und tut man daher gut daran, dieselben restlos auszugeben oder schlimmstenfalls in Yen umzuwechseln. Manchouli liegt in der sogenannten Gefahrenzone und dürfen selbst dort ansässige Europäer die Ortsgrenze nicht überschreiten. Dementsprechend ist auch die Bewegungsfreiheit der Transitpassagiere innerhalb des Ortes sehr beschränkt, obwohl ich mir sagen 1ieß, daß diese Vorschrift besonders nach Eintreten der Dunkelheit nicht sehr streng gehandhabt wird.
An der russischen Grenze: Die Abfahrt der russischen Züge ab Manchouli ist offiziell auf 8 Uhr abendas festgesetzt und verkehren wöchentlich 2 Züge und zwar Montags und Donnerstags. Sowohl auf der Strecke durch Niemandsland zwischen Manchouli and Otpor (der russischen Grenzstation) als auch während der ersten 3 Stunden fährt der Zug mit Verdunklung d.h. die Rouleaux der Fenster müssen geschlossen werden und es verboten, sich in den Fenstern oder zwischen den Waggons sehen zu lassen oder gar fotografieren. Dies ist besonders wichtig für den Fall, da der Zug mit Verspätung d.h. etwa um 6 Uhr Manchouli verläßt, was öfter vorkommen soll.
In Otpor muß natürlich wieder alles Gepäck ins Zollamt gebracht werden und wird dort restlos durchsucht speziell nach Büchern, schriftlichen Aufzeichnungen, Fotoapparaten und unentwickelten Filmen. Letztere werden abgenommen mit dem Versprachen sie nach erfolgter Entwicklung nachzusenden. Die Fotoapparate sowie Bücher und Briefe, Tagebücher usw. werden in einen Koffer zusammengepackt, der unter Zollverschluß durch das russische Gebiet gebracht werden muß, und war entweder im Abteil selbst, wenn der Reisende nicht viel Gepäck mitführt, oder als Passagiergut, wenn mehr als 4 Gepäckstücke vorhanden sind. Offiziell sind zwar nur 16 Kilo Handgepäck für das Abteil zugelassen, was aber nur auf den Papier steht. Als Passagiergut können bis zu 50 Kilo befördert werden, und sind die Frachtsätze in Anbetracht der langen Strecke verhältnismäßig billig. Es empfiehlt sich aber, trotzdem sein Reisegepäck auf das Allernotwendigste zu beschränken und keine Schrankkoffer sondern nur Handgepäck mitzunehmen.
Für nach Rußland hereingebrachte Devisen wird eine Bescheinigung ausgestellt, die sorgfältig aufzubewahren ist, da sie dem Reisenden beim Verlassen des Landes als Beleg für die von ihm ausgeführten Devisen dient. Bei der offiziellen Wechselstelle in Otpor werden je US$ Rubel 5,30 bezahlt, während man auf der Deutschen Botschaft in Moskau 10 Rubel je Dollar bekommt. Zu bemerken ist, daß russisches Geld weder ein- noch ausgeführt werden kann. Man fährt also von Otpor bis Moskau mit sehr teuren Rubeln, und tut gut daran, nur das nötigste an der Grenze umzuwechseln (etwa 10 Dollar). Sowohl die Tischkarten als auch das Trinkgeld und die Trägergebühren an beiden Grenzstationen werden ja bereits in Tokio vorausbezahlt, so daß man faktisch nur für Getränke, Rauchwaren und sonstige kleinen Spesen russisches Geld bis dahin braucht.

Moskau:
Ein Vertreter des INTOURIST Reisebüro begleitet den Zug auf der ganzen Strecke bis nach Moskau und steht den Reisenden für alle gewünschten Auskünfte zur Verfügung. Bei der Ankunft in Moskau übergibt or die Transitreisenden seinem Moskauer Kollegen, der dieselben in einem bereit stehenden Autobus nach dem INTOURIST- Hotel METROPOL bringt, wo ebenfalls die Tischkarten des Reisebüros in Zahlung genommen werden. Alles, was man außerhalb der Tischkarten bestellt, ist übertrieben teuer. Dasselbe läßt sich auch für die Einkäufe sagen, die der Reisende etwa in Moskau tätigen will. Man tut daher gut daran, sich hierin auf das Nötigste zu beschränken. Dagegen hat man als Deutscher gegenwärtig volle Bewegungsfreiheit in Moskau und muß nur rechtzeitig vor der Abreise wieder in Hotel sein, von wo aus die Reisenden wieder geschlossen zum Bahnhof geführt werden. Wenn die Weiterreise über die neue Strecke via Molodetachno Gudogai Wilna Kaunas vorgesehen ist, dann ist darauf zu achten, daß beim Umsteigen in Molodetschno das aufgegebene Gepäck auch sicher in den Anschlußzug hinüber gebracht wird, da sonst ein unfreiwilliger Aufenthalt von 24 Stunden an der Grenzstation entstehen kann. Beim Verlassen russischen Gebiets ist wiederum Gepäck- und Devisenkontrolle. Bei der darauf folgenden Weiterreise durch litauisches Gebiet geht alles reibungslos von statten, ebenso an der deutschen Grenzstation Eydtkau, wo man bei der Gepäckkontrolle sehr zuvorkommend ist, wenn es sich um Reisende handelt, die aus Amerika über Japan-Sibirien kommen. Man muß sich an der deutschen Grenze noch um die Lebensmittelkarten kümmern, die den Reisenden ohne weitere Formalitäten für die folgenden 3 Tage ausgehändigt werden.