Auswirkung des Krieges in Kolumbien
Alfred Maier 1940

Auswirkungen des Kriegs in Kolumbien.
Bogotà, den 30.Januar 1940.

Spezialbericht für den"Pforzheimer Anzeiger" von Alfred Maier.

Der Aussenhandel Kolumbiens hat sieh in den letzten zehn Jahren vervierfacht und etwa 65%davon entfallen auf das Hauptprodukt des Landes, den sog. café suave (den milden Kaffee). Von den Millionen Sack Kaffee (a 60 kg.), die durchschnittlich im Jahr ausgeführt werden, ging ungefähr die Hälfte nach den U.S.A. An zweiter Stelle kam Deutschland mit etwa 40 Millionen Sack und erst im weiten Abstand davon die übrigen europäischen Länder. Infolge des europäischen Krieges war man nun beinahe ausschliesslich auf die Vereinigen Staaten als Abnehmer angewiesen und die unausbleibliche Folge war natürlich ein allmähliches Absacken des Kaffeepreises und seine Rückwirkung auf die hiesige Wirtschaft, deren Rückgrat die Kaffeeausfuhr ist. Bedeutet doch das Fallen des Kaffeepreises um nur 1 Cent einen Ausfall von 4 Millionen Dollars für das Land. Beinahe ebenso katastrophal wirkt sich er Rückgang in den Zolleinnahmen des Landes auf den Haushalt des Staates aus und sieht man sich zu allerhand Sparmaassnahmen gezwungen.
Die Landesregierung steht also sehr schweren Problemen gegenüber, die sich aus dieser Schrumpfung des Aussenhandels ergeben heben und die bei Awendung er üblichen parlamentarischen Methoden und bei der herrschenden Interessen-Politik nur nach endlosen Debatten und schädigenden Kompromissen Ihre Lösung finden könnten. Der Präsident Dr. Eduardo Santos hat sich daher schon vor den Feiertagen vom Kongress ausserordentliche Vollmachten erteilen lassen, durch welche ihn freie Bund gegeben wird, die Industrie, den Kredit, die Einfuhr und den Wechselkurs des Landes während der Kriegsdauer gewissen diktatorischen Einschränkungen zu unterwerfen. Die Einfuhr wird also in Zukunft gedrosselt werden, um sie in einem gewissen Verhältnis zur Ausfuhr zu halten uns zu den verfügbaren Devisenmengen. Auch sollen die vielen kleinen Unternehmen im Kaffeehandel in ihrem gegenwärtigen harten Existenzkampf werden. Etwas weniger Rücksicht wird auf die Industrie genommen uns sind die Gesetzesvorschläge zur Erhöhung der Einfuhrzölle auf verschiedene Artikel vorläufig einmal zurückgestellt worden.
Eine für den deutschen Einfluss in Kolumbien sehr bedauerliche Begleiterscheinung des Kriegs war die Umgestaltung der "SCADTA", der deutsch-kolumbiaischen Luftverkehrs-Gesellschaft, in ein rein kolumbianisches Unternehmen nach deren Verschmelzung mit der "SACO" (Servicies Agreos Colombianos),einem vor dem Zusammenbruch stehenden kolumbianischen Konzern und den im Zusammenhang damit erfolgten Rücktritt des deutschen Präsidenten, Herrn von Bauer. Kolumbien kann sich rühmen, das bestausgebaute und bestorganisierteste Netz von Flugverbindungen in ganz Südamerika zu haben, was nicht zum geringsten ein Verdienst der deutschen Leitung und der zuverlässigen deutschen Piloten gewesen ist, denen sich auch das kolumbianische Publikum viel eher anvertraute als ihren eigenen Landsleuten. Es fehlt daher auch nicht an Leuten, die sehr schwarz sehen für die zukünftige Verkehrssicherheit und reibungslose Abwicklung des Lufttransports.
Und nun zum Thema: „Alliierte Propaganda in Kriegszeiten", dieses Mal in Gestalt einer französischen Wanderausstellung moderner Gemälde, die vor wenigen Tagen im Gebäude der Nationalbibliothek vom französischen Gesandten, Vicomte d'Aumale, eröffnet worden ist. Etwa ein Dutzend moderner französischer Meister sind mit insgesamt 33 Gemälden dabei vertreten und, da der Besuch nicht mit Unkosten verknüpft ist, ist war Zuspruch des Publikums ein entsprechend lebhafter. In einem kleinen Zwischenkabinett zwischen den beiden grossen Ausstellungs-Sälen befindet sich ganz unauffällig das Kernstück der Ausstellung, nämlich ein Dutzend Autogramme von führenden französichen Per-onlicnkeiten aus dem Weltkrieg, ausserdem auch eines von Mussolini und von General Pershing mit passenden Album-Versen, aus denen noch die Kriegspsychose unverhüllt spricht wie z.B. aus dem Erguss des Marschalls Lyautey: „Wir haben sie im Krieg kleingekriegt, jetzt handelt es sich darum, sie auch im Frieden kleinzukriegen (womit natürlich die bösen Deutschen gemeint sind)

Etwas weniger blutrünstig ist die Stimmung der hier ansässigen, jungen Franzosen, denen unlängst die Aufforderung zugestellt wurde, sich in absehbarer Zeit bereitzuhalten, da sie unter die Fahnen gerufen würden. Ganz unverhohlen machen sie ihrem Missmut Luft, für das internationale Judentum in den Krieg zu ziehen.
Sehr häufig wird natürlich die Frage erörtert, ob dieses Mal Amerika wiederum aktiv in den europäischen Krieg eingreifen wird und hört man bald diese bald jene Ansicht verteidigen. Die Pazifisten sind sehr pessimistisch gestimmt, was eine Friedensvermittlung anbetrifft; habe man doch seiner Zeit beim spanischen Bürgerkrieg nichts unversucht gelassen, um das Blutvergiessen zu verhindern, aber leider ohne den geringsten Erfolg; wie viel aussichtsloser wären daher solche Bemühungen bei dem jetzigen Ringen, wo viel wichtigere Belane auf dem Spiel ständen. NIcht uninteressant ist die Einstellung einer Kolumbianerin, die der internationalen Friedensbewegung angehört und mit der ich ab und zu über diese Fragen diskutiere. Viel zu spät haben wir eingesehen, meint diese Dame, dass das Eingreifen der Vereinigten Staaten im letzten grossen Weltkrieg ein grundlegender Fehler gewesen ist, dem wir wahrscheinlich den jetzigen Krieg zu verdanken haben. Damals im Jahre 1917, als es schon dem Ende zuging, standen die Chancen der beiden Parteien ungefähr gleich d.h. beide waren den Grenzen der Erschöpfung nahe und, wenn sich die U.S.A. ferngehalten hätten, dann wäre über kurz, oder lang die Entscheidung gefallen und die Welt hätte heute Ruhe. Ich erlaubte mir den schüchternen Einwand, dass es auch 1919 in Versailles noch Zeit gewesen wäre, sich eines besseren zu besinnen und die Grundlagen eines möglichen Zusammenlebens in Europa zu schaffen. Statt dessen habe man in blindem Hass die Unvernunft zum Wort kommen lassen damit schon einen neuen Konflikt im Keim geschaffen. Wie dem auch sei, meinte die Friedensfreundin, ich g1aube nicht, dass die Vereinigten Staaten denselben Fehler zum zweiten Male machen werden.
Wir finden uns in dem europäischen Durcheinander ohnehin nie zurecht, wo in allen Fragen ganz andere Gesichtspunkte wie bei uns er neun Welt maassgebend sind und alles so kompliziert und so kleinlich und neidisch aufeinander ist. Den jetzigen Krieg müssen die Europäer für sich allein ausfechten und --- er muss bis zum bitteren Ende ausgefochten werden bis zur völligen und restlosen Kapitulation des unterliegenden Teils, damit es endlich einmal Ruhe giebt und der Neuaufbau beginnen kann. Jede Intervention von aussenher wäre verkehrt und würde gerade das Gegenteil von dem bewirken, was wir alle wünschen und erhoffen, nämlich einen möglichst lange anhaltenden Weltfrieden und die nur dadurch mögliche friedliche Zusammenarbeit der Völker und gegenseitige Ergänzung und Hilfeleistung untereinander auf Grund gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Vertrauens.